Zugegeben, die Überschrift ist provokant. Aber nach Meinung des Spur-G-Blogs stehen wir am Anfang einer Revolution bei den Handsteuerungen (Navigator) für Digitalsysteme: Smartphones werden in einigen Jahren die bekannten Steuergeräte wie den DIMAX Navigator von Massoth oder die Multimaus von Roco ablösen. Am Beispiel der App TouchCab von Jens Vesterdahl zeigt der Spur-G-Blog was zur Zeit möglich ist und welches Zukunftspotential diese Technik bietet.
TouchCab ist eine Software für das iPhone, den iPod Touch oder das iPad von Apple und ist für 5,99 Euro im AppStore von Apple erhältlich. Zum Testen ist eine kostenlose Version verfügbar, auf die sich auch die Tests des Spur-G-Blogs beziehen. TouchCab erlaubt die Steuerung einer Lokomotive. Im Screenshot wird ein Taurus von PIKO gesteuert. Mit dem Finger lässt sich die Geschwindigkeit der Lok im grünen „Dreieck“ einfach regeln. Die Geschwindigkeit (hier 77) kann entweder als Fahrstufe oder als „km/h“ ausgegeben werden. Mit einem Fingertipp lassen sich die verschiedenen Funktionen an und ausschalten. Im Screenshot sieht man, dass die Funktionen F0 und F3 grün leuchten, d.h. die beiden Funktionen sind zur Zeit aktiviert. Mit dem Notaus-Knopf rechts oben lässt sich schnell und einfach der Strom am Gleis abschalten. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit verschiedene Lokomotiven und andere Optionen auszuwählen.
In der Version TouchCabFree stehen zum Testen nur die grundlegenden Fahrbefehle zur Verfügung. In der Vollversion hingegen können auch Weichen geschaltet werden und die Funktionstasten können je nach Zentrale mit Symbolen belegt werden.
Sofort erkennt der Gartenbahner, dass die Software alle wichtigen Funktionen eines Steuergeräts besitzt. Allerdings kann TouchCab nicht zum Programmieren von Decodern (CV’s) benutzt werden. Jens Vesterdahl weist auf seiner Webseite ausdrücklich darauf hin, dass die Software nur zum Steuern von Lokomotiven entwickelt wurde. Für das Programmieren von Decodern gibt es bereits diverse Softwarepakete, die diese Aufgabe hervorragend lösen.
Allerdings reicht ein iPhone und die Software natürlich nicht aus um eine Lokomotive zu steuern. Im Moment können nur Benutzer der ECoS-Zentrale von ESU und der Central Station von Märklin (bitte die Versionshinweise auf der TouchCab-Webseite beachten) nutzen. In wenigen Wochen ist die Software auch für das Xpressnet von Lenz verfügbar – sobald Lenz das bereits 2010 angekündigte Ethernet-Interface für das Xpressnet Ende April 2011 auf den Markt gebracht hat.
Die Grafik zeigt, wie das Prinzip funktioniert: Das Ethernet-Interface von Lenz wird an den Xpressnet-Bus wie jeder anderer Handregler angeschlossen. Anschließend wird das Interface mit einem WLAN-Router verbunden. TouchCab auf dem iPhone kann dann über den WLAN-Router und das Interface seine Befehle an die Digitalzentrale schicken.
Ein Video auf Youtube zeigt Eindrucksvoll, wie TouchCab tatsächlich funktioniert!
Woher kommt aber die gewagte Ausgangsthese? Ist die Lösung nicht nur etwas für Computerfreaks? Die Antwort liegt nach Meinung des Spur-G-Blogs im Preis. Mit fallenden Preisen bei den Smartsphones werden in wenigen Jahren fast alle Gartenbahnfreunde ein Gerät haben, wo sich die Software für wenige Euros installieren lässt. Ein WLAN-Router wird heute bei fast jedem DSL-Neuvertrag vom Telefonprovider mitgeliefert. Bleiben in Zukunft nur noch die Kosten für das Interface. Der Spur-G-Blog glaubt sogar, dass das Netzwerkinterface in Zukunft in die Zentralen mit eingebaut sein wird. ESU und Märklin machen dies bereits vor. Andere Hersteller von Digitalzentralen werden bestimmt nach ziehen. Die Hersteller von Digitalzentralen sparen sich dadurch die teure Entwicklung eines Handgeräts. Betrachtet man den aktuellen Markt stellt man fest, dass es nur wenige gute Handsteuergeräte gibt. Während die Integration eines Netzwerkinterface in die Digitalzentrale nur wenige Euro pro Gerät kosten wird (es gibt günstige Fertigbausteine bei den Computerherstellern, die die vorhandene serielle Kommunikation aufs Netzwerk legen können), ist die Entwicklung und Fertigung eines Handgeräts sehr teuer.
Ein Beleg für die These des Spur-G-Blogs befindet sich in der Ausgabe 02/2010 der Zeitschrift „Gartenbahn profi“. Letztes Jahr berichtete die Redaktion über die Messeneuheiten von Lenz und vermisste einen modernen Funkregler. Das neue Netzwerk-Interface in Kombination mit TouchCab beantwortet dies: Wieso soll Lenz Geld in die Entwicklung eines neuen Handreglers stecken, wenn eine komfortable und preiswerte Softwarelösung existiert? Das wirtschaftliche Risiko einer solchen Entwicklung ist doch viel zu groß! Eine App für das Smartphone lässt sich jederzeit kostengünstig ändern – im Gegensatz zu einem in Plastik gegossenen Handregler.
Neben TouchCab gibt es natürlich noch weitere Anbieter auf dem Markt. Neben Apps für die Apple Produkte werden natürlich auch Apps für Android-Smartphones angeboten. So hat Märklin auf der Messe in Nürnberg eine eigene App angekündigt.
Nicht unerwähnt sollte man in diesem Zusammenhang die Kritik an solchen Systemen lassen. Im Editorial des aktuellen „Gartenbahn profis 2/2011“ kritisiert Hans-Joachim Gilbert u.a. die mangelnden Detailinformationen, die Märklin zu seiner App veröffentlicht bzw. auf Nachfrage gibt (oder besser gesagt nicht gibt). Außerdem stellt er die Frage, wer beim Entgleisen der Lok die Haftung übernimmt? Aber haftet irgendein Navigator-Hersteller heute für Entgleisungen?
Neben dem Preis, der auf Dauer über die App-Lösung unschlagbar sein wird, glaube ich noch an einen ganz anderen Erfolg der Apps: In ein paar Jahren kann man problemlos zu seinen Freunden gehen und mit dem eigenen Smartphone die Lokomotiven auf fremden Anlagen steuern. Vielleicht muss man für jeden Freund eine andere App kaufen, was aber bei Preisen zwischen 5 Euro und 10 Euro kein Hindernis sein wird. Aber mit den Apps kann sich der Gartenbasich „unabhängig“ von der Hardware des Digitalsystems in den Fahrspaß einklinken…
Alles Zukunftsmusik? Vielleicht, aber die Besitzer einer ECoS bzw. Central Station können schon heute für ca. 190 Euro ein iPod Touch kaufen und mit der App loslegen. Alle Benutzer des Xpressnet können voraussichtlich ab April auf den Zug aufspringen – mal sehen welchen Preis Lenz für sein neues Interface verlangen wird.